Ungedeckter Leerverkauf–ein Vertrag wie jeder andere

Was sind ungedeckte Leerverkäufe? Entscheidend ist, was die Vertragsparteien wollen. Nun helfen uns aber juristische und betriebswirtschaftliche und börsliche Kategorisierungen und Begriffe nicht weiter, wenn wir erfassen wollen, was der von den Vertragsparteien gewollte Vertragsgegenstand ist. Die Gemeinsamkeit zwischen zum Beispiel einem Termingeschäft und einem ungedecktem Leerverkauf ist eben, dass der Verkäufer etwas verkauft, was er nicht hat (oder was noch nichtmal existiert) und dass der Käufer das sowohl weiß, als auch will. Und das kann ja nun schonmal kein Betrug sein–was aber von einigen Leuten behauptet wird.

Damit hätten wir dann schon mal den Betrugsvorwurf entkräftet. Eine andere Frage ist natürlich die nach der Schädlichkeit solcher ungedeckten Leerverkäufe für den “Markt”. Und das ist ja wohl die Frage, die beantwortet werden muss, wenn es um ein gesetzliches Verbot geht. Und dem kommen wir kein Stück näher, wenn wir hier spitzfindige Definitionsunterschiede vornehmen. Im Gegenteil, man erkennt dann immer weniger, worum es eigentlich geht.

Im Dezember habe ich drei Geschichten zu Wikileaks auf meinen Blog gestellt. Ich behaupte da, dass Bank of America, PayPal, Mastercard und Visa gegen ihre Vertragspflichten gegenüber ihren Kunden verstoßen, indem sie (offensichtlich allein auf Druck der amerikanischen Regierung) deren Zahlungsaufträge an Wikileaks nicht ausführten.

Da kamen nun jede Menge Leute an, Liberale und Nicht-Liberale, Juristen und Nicht-Juristen, und wollten mir erklären, dass ich das alles nicht richtig verstanden hätte: Die Firmen hätten nur ihre Geschäftsbeziehung zu Wikileaks gekappt und seien dazu auch vertraglich berechtigt gewesen.–Ich hatte aber gesagt, dass zwischen den Zahlungsdienstleistern und Wikileaks genausowenig eine Vertragsbeziehung besteht wie zwischen meiner Bank und meinem Vermieter, wenn ich meine Bank anweise, meine Miete an meinen Vermieter zu überweisen.–All diese Kritiker haben nur eines gezeigt: Dass sie das Wesen eines Auftrags nicht verstanden haben. Schließlich existieren Zahlungsdienstleister nur deshalb, weil Menschen ihre Zahlungen -ob Geschenk, Spende oder Vertragserfüllung- nicht immmer persönlich bei dem anderen vorbeibringen wollen.

Dass alle Zahlungsdienstleister -und überhaupt alle Unternehmer- mittlerweile ellenlange Verträge mit ihren Auftraggebern machen, die  es ihnen ermöglichen, Aufträge nicht auszuführen, ist einzig und allein darauf zurückzuführen, dass diese Unternehmen sich in vorauseilendem Gehorsam gegenüber dem Staat üben: Sie wissen, dass der ihnen jederzeit verbieten kann, ihre Verträge ordnungsgemäß zu erfüllen. Deshalb exkulpieren sie sich schon im Voraus gegenüber ihren Auftraggebern, so daß sie denen gegenüber nicht schadenersatzpflichtig werden. Hätten wir eine Privatrechtsgesellschaft, dann hätten die Bankkunden zu Julian Assange fliegen und ihm das Geld persönlich überreichen können und sich die Kosten dafür von ihrem Zahlungsdienstleister zurückholen können.

https://evaziessler.wordpress.com/2010/12/09/wikileaks-und-mein-vermieter/

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